Pilgerstab - Pilgertasche - Pilgermuschel

  Woran erkannte man einen Pilger ?

Die Pilgerwege

Der 'Liber Sancti Jacobi' bzw. 'Codex Calixtinus' schreibt in seinem ersten Kapitel: Vier Wege führen nach Santiago, die sich zu einem einzigen in Puente la Reina in Spanien vereinen; einer geht über St.Gilles, Montpellier, Toulouse und den Somportpaß; ein anderer über Notre-Dame in Le Puy, Ste.Foy in Conques und St.Pierre in Moissac; ein weiterer über Ste.Marie Madeleine in Vézelay, St.Léonard in Limousin und die Stadt Périgueux; ein letzter über St.Martin in Tours, St. Hilaire in Poitiers, St.Jean in Angély, St.Eutrope in Saintes und die Stadt Bordeaux. Diejenigen Wege, die über Ste.Foy, St.Léonard und St.Martin führen, vereinigen sich in Ostabat, und nach dem Überschreiten des Cispasses treffen sie in Puente la Reina auf den Weg, der den Somportpaß überquert; von dort gibt es nur einen Weg bis Santiago.

Der Weg nach Santiago de Compostela ist ein Weggeflecht, das sich über ganz Europa zieht, in vier großen Wegen von Paris, Vézelay, Le Puy und Arles durch Frankreich zieht, bei Roncesvalles und Somport die Pyrenaeen überquert und sich bei Puente la Reina zur großen Pilgerstrasse, dem Camino Frances durch Nordspanien, vereinigt. Die romanische Kunst hat entlang dieser Pilgerstrassen bedeutende Kunstwerke geschaffen.

Pilger aus dem Norden und dem nördlichen Mitteldeutschland suchten hauptsächlich über Köln und Aachen (die sog. 'Niederstrasse'), zuweilen auch über das Moseltal, Anschluss an die Wege von Paris/ Tours bzw. Vézelay/St.Gilles. Pilger aus dem südlichen Mitteldeutschland und aus dem oberdeutschen Raum zogen die 'Oberstrasse' über Einsiedeln und Genf ins Rhonetal, von dort dann die Strasse nach Le Puy. Vom Norden Deutschlands und von England aus wurden oft Pilgerfahrten per Schiff unternommen.

 

Das Pilgerwesen im Mittelalter

Das Pilgerwesen gehört zu den bedeutendsten Phänomenen der mittelalterlichen Religiosität. Ohne Unterschied von Stand, Herkunft und Bildung ergriffen alle den Pilgerstab: Arme und Reiche, Kleriker wie Bauern, Könige ebenso wie Gelehrte, Männer, Frauen und Kinder. Wir können davon ausgehen, dass fast jedermann im Hoch- und Spätmittelalter, je nach Stand und Vermögen, Abkömmlichkeit und Devotion, mindestens einmal in seinem Leben eine Pilgerfahrt zu einem ferneren oder nahegelegenen Heiligtum unternommen hat.

Ursprünglich meint 'peregrinus' den Fremden, jenen, der in der Fremde sein Heil sucht. In biblischer Tradition gilt Abraham, der von seiner Heimat Ur in Chaldaea fortzieht, als erster Pilger. Das ganze Leben des Christen kann als Pilgerfahrt gedeutet werden der Christ ist ausgeheimatet aus dieser Welt und unterwegs zu seiner ewigen Heimat, die er auf dieser Erde nicht findet. Die Pilgerfahrt wird zum Sinnbild des Lebens. Wie der mittelalterliche Mensch nicht seinem bloßen Vergnügen lebt, sondern eingebunden ist in die Sinnstiftungen des kirchlich vermittelten Glaubens, so reist er auch nicht ohne höhere Zweckbestimmung. Als Pilger ist der Reisende nicht der moderne, Abwechslung und Erholung suchende Tourist, sondern sucht das Heil, das in der göttlichen Vergebung für irdische Sünde und in der Rettung aus erfahrener Not besteht. Einmal am Ziel seiner Pilgerfahrt angekommen, trifft er auf Vergebung bzw. auf die Fürsprache und Gnadenvermittlung eines Heiligen, auf Heilung eines körperlichen Gebrechens, auf Rettung aus Not.

Pilgern war nicht das einzige sanktionierte Reisemotiv. Daneben gab es die Missionsreise, die kriegerische Verteidigung bzw. Ausbreitung des Glaubens (Kreuzzüge) und den Fernhandel, der seit dem 11. und 12. Jahrhundert zunehmend von den städtischen Patrizierfamilien betrieben wurde. Das Pilgern unterschied sich von diesen eher berufsbedingten Reisemotiven neben der besonderen spirituellen Zielsetzung auch durch seine Zugangsmöglichkeit für Angehörige aller Klassen und Altersstufen.

Spielte bis ins 9. Jahrhundert im Rahmen der ursprünglichen Vorstellung vom Pilgern als 'In-der-Fremde-Leben', als asketischer Heimatlosigkeit, der konkrete irdische Zielort noch eine untergeordnete Rolle, wird dann die Pilgerfahrt zu einem bestimmten Ziel hin häufiger. Der Gläubige bricht aus der Behaustheit seiner vertrauten Raum-Zeit-Konstellation auf in das unbehauste Leben des Pilgers, dies aber mit dem Ziel, den heiligen Raum zu erreichen, in dem das Göttliche sich ihm vergegenwärtigt. Eine Hinwendung zu den heiligen Stätten zeichnet sich ab, wie zu Rom im 10. Jahrhundert, zu Jerusalem und Santiago im 11. und 12. Jahrhundert. (Wenngleich Jerusalem schon früher Ziel einzelner Pilger war. Berühmt ist der Reisebericht der Pilgerin Aetheria bzw. Egeria um 400. Jedoch entwickelte sich eine eigentliche Massenwallfahrt erst ab der Jahrtausendwende. Jerusalem galt zudem als der Mittelpunkt der Welt und Ort der Parusie, also der Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten.) Aus dem Wunsch, Christus nachzufolgen, wird das Bestreben, die Orte seines irdischen Lebens aufzusuchen oder zu einer Stätte zu pilgern, die durch ein Apostelgrab geheiligt ist (Rom: Petrus und Paulus; Santiago: Jakobus).

Hunderte von Kilometern wurden zurückgelegt, um zu einem dieser drei großen Fernpilgerzentren zu gelangen. Diese drei 'peregrinationes maiores', von denen der Pilger als geweihtes Andenken einen in Metall gegossenen Petersschlüssel (Rom), einen Palmzweig (Jerusalem) oder aber die berühmte Jakobsmuschel (Santiago) heimbrachte, übten auf die Gläubigen eine besonders starke spirituelle Anziehungskraft aus.

Dabei spielte die Reliquienverehrung eine wichtige Rolle. Bottineau zieht sie geradezu zur Definition von Pilgern heran: 'Pilgern besteht im Mittelalter darin, sich aufzumachen, um Reliquien und insbesondere einen heiligen Leichnam zu verehren. Man begab sich zum Grab eines Märtyrers, eines Apostels oder sogar Christi' (84). Seit dem vierten Jahrhundert wurden den Reliquien von Heiligen übernatürliche Kräfte beigemessen. Sie galten gleichsam als das materielle Vermittlungsobjekt von Gnade und Heil. Reliquien erlangten dann im Hochmittelalter eine solche Bedeutung, dass ihnen mitunter sogar als Zahlungsmittel der Vorrang vor Gold und Silber gegeben wurde. In der Folgezeit nahm der Reliquienkult Ausmaße an, die selbst vor einem 'frommen Raub' nicht zurückschreckten. Es entwickelte sich gar ein eigener Handelszweig für den Vertrieb, wogegen das IV. Laterankonzil von 1215 einzuschreiten versuchte. Reliquien verschafften Schutz, Hilfe, Ansehen und Macht. Sie konnten politische Ansprüche durchsetzen und legitimieren. Auch die Erhebung Santiagos zum Erzbistum zählt dazu der Anspruch wurde mit der Präsenz der Apostelreliquien begründet. Weil es an Reliquien stets mangelte, erfand man die zahlreichen indirekten Reliquien, die ununterbrochen geschaffen werden konnten, z.B. durch Berührung des Heiligtums mit einem anderen Gegenstand. Aber nicht nur diese Berührungsreliquien, sondern auch Erde aus dem Hl. Land, Holz vom Kreuzesstamm oder von den Ölbergsbäumen oder das von den Kerzen am Heiligtum herabtropfende Wachs waren als Verehrungsobjekte äußerst beliebt. Für den gläubigen Menschen des Mittelalters galten die jeweiligen Reliquien als echt, wenn sie Wunder bewirkten. Gerade die Wunderberichte lockten zahlreiche Pilger auf den Weg. Den Apostelreliquien in Santiago kam in zweifacher Hinsicht besondere Bedeutung zu: Jakobus war der einzige im westlichen Okzident begrabene Apostel (das Matthiasgrab in Trier ist eine spätere Tradition und erlangte nur regionale Bedeutung), und er war der erste Märtyrer der Christenheit. Damit hatte sein Kult von Anfang an eine erhöhte Durchschlagskraft. Außerdem spielt wohl eine Rolle, dass der Jakobuskult im Unterschied zum Petruskult in Rom nicht in liturgischen Formen erstarrt war und keine hierarchische Vereinnahmung wie durch die römische Papstideologie erfuhr.

Versucht man, die mittelalterliche Pilgerfahrt nach ihren unterschiedlichen Motivationen zu typisieren, kann man drei Grundtypen herausstellen: Pilgerfahrt aus Devotion, Pilgerfahrt als Busse oder Strafe und die Delegationspilgerfahrt. Die Pilgerfahrt aus Devotion, die nach Ausweis der mittelalterlichen Pilgerführer als die reinste Form gilt, lässt sich in Bitt- und Dankpilgerfahrt scheiden. Die vielen Wundergeschichten, etwa im zweiten Buch des 'Liber Sancti Jacobi' bzw. 'Codex Calixtinus', lassen beide Typen deutlich erkennen. Körperliche oder andere Nöte motivieren häufig zu einer Bittwallfahrt, bereits durch ein Wunder Gerettete pilgern zu einem heiligen Ort, um dem Heiligen zu danken und vielfach, um ein Gelübde zu erfüllen. Devotionspilger folgten dem bekannten Ruf des Heiligen; für sie dürfte der Wunsch, dem Grab und Körper des Verehrten physisch nahe zu sein, ein bedeutendes Motiv zum Antritt einer Pilgerfahrt gewesen sein. Sicherlich darf man oft auch 'außerreligiöse' Motive wie Reiselust und Fernweh in Rechnung stellen, für die Santiago-Fahrt wohl auch die Faszination der Reise an den äußersten westlichen Rand der Erde (Kap Finisterre finis terrae: Ende der Welt). Der religiöse Hauptanstoß für den Aufschwung des Pilgerwesens darf jedoch in der Wundergläubigkeit des mittelalterlichen Menschen gesehen werden.

Diesen freiwillig unternommenen Pilgerfahrten lässt sich der Typus der zunächst von kirchlichen, dann auch von weltlichen Instanzen verordneten Buß- bzw. Strafpilgerfahrt gegenüberstellen. Es handelte sich dabei zuerst um eine Praxis des kanonischen Rechts, die sich in der Karolingerzeit entwickelt hatte und über Jahrhunderte lebendig blieb. Ab dem 13. Jahrhundert werden auch von weltlichen Instanzen, besonders im belgisch-niederländischen Raum, später auch in den Hansestädten, Strafwallfahrten nach Santiago verhängt. Zwischen 1415 und 1513 erfolgten allein in Antwerpen etwa 2500 Verurteilungen zu verschiedenen Pilgerfahrten. Nicht umsonst hat man hier von einer Art Sozialhygiene gesprochen (Steven Runciman). Es blieb nicht aus, dass dieser Typus von Pilgerfahrt auf das Pilgerbild im allgemeinen negativ abfärbte. Im Extremfall wurden die Begriffe 'Pilger' und 'Verbrecher' synonym. Von daher wird es auch verständlich, warum die Katholischen Könige Spaniens im 16. Jahrhundert den Pilgerweg nach Santiago auf eine vier Meilen breite Zone entlang dem alten Camino Frances begrenzten. Wer diese Zone verließ, hatte keinen Anspruch auf die Vorrechte des Pilgerstatus. Die Nationalstaaten nahmen das Pilgerwesen unter eine strengere Kontrolle, von den Pilgern wurden vielfach Geleitbriefe und Ausweisschreiben aus ihrer Heimat verlangt.

Eine dritte, ebenfalls seit dem Spätmittelalter häufiger anzutreffende Form ist die Delegationspilgerfahrt, bei der jemand anstelle eines anderen oder im Auftrag einer Gruppe reist. Die stellvertretende Pilgerfahrt bzw. die testamentarisch angeordnete 'postume' Fahrt machten es möglich, dass es berufsmäßige Pilger gab, die nach einem festen Tarif bezahlt wurden.

Über den glaubens- und mentalitätsbedingten Faktoren wie der Reliquienfrömmigkeit und der Wundergläubigkeit dürfen jedoch die politischen Faktoren nicht übersehen werden, die die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela im Hochmittelalter nicht unwesentlich förderten hier vor allem die Verbindung von Reconquista und Kreuzzugsbewegung.


Der Calixtus 

Über den Stab und die geweihte Pilgertasche der Pilger schreibt Calixtus, dass sie demjenigen übergeben werden, der sich aufmacht, die Gräber der Heiligen zu besuchen, um um Vergebung zu finden.

Der Pilgerstab soll dem Pilger das Reisen erleichtern; Calixt nennt ihn, den "dritten Fuß". Der Stab soll die Dreifaltigkeit symbolisieren, an der der Pilger festhalten soll; ebenso soll der Stab den Pilger vor den Visionen und lrreführungen des Teufels bewahren und seinen Glauben stärken.

Die geweihte Pilgertasche, welche aus Tierleder angefertigt ist, soll den Pilger zur Gebefreudigkeit animieren. Dieser enge Beutel ist nach oben hin geöffnet und wird durch keine Verschnürung zusammen gehalten. Dieser Beutel ermöglicht es dem Pilger, nur einen kleinen Vorrat mit sich zu führen. Die Tasche soll ein Symbol dafür sein, dass der auf Reichtümer verzichtende Pilger seinen Besitz mit den Armen teilt, aber auch dazu bereit ist, von anderen etwas anzunehmen.

Wenn die Pilger von Santiago zurückkehren, führen sie eine Muschel mit sich, die den Fingern einer Hand gleicht und die sie an ihre Pilgermäntel hängen. Diese Muschel soll die guten Taten der Pilger symbolisieren. Die beiden Schilde der Muschel sollen die Vorschriften der Nächstenliebe darstellen. Das bedeutet, dass der Pilger seinen Nächsten wie sich selbst, aber Gott über alles lieben soll.

 

Die Pilgerfahrt

Zum Aufschwung der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela trugen neben der Verehrung der Reliquien des Heiligen (s.u. Nr.5) und der Verbindung mit dem Reconquista und Kreuzzugsgedanken (s.u. Nr.6) noch weitere Faktoren bei, die das Pilgern zum Grab des Apostels Jakobus zu einem Phänomen von gesamteuropäischer Bedeutung werden ließen. Ökonomisch-technischer Aufschwung sowie soziale und rechtliche Veränderungen ab dem 11. Jahrhundert, literarische Propagierung und Neuerungen in Architektur und Kunst förderten einen Strukturwandel und führten in Verbindung mit einer daraus hervorgegangenen erhöhten Mobilität dieser Zeit zu einer Massenbewegung, die den Pilger und, zusammen mit ihm, den Kreuzfahrer zur herausgehobenen Erscheinung der europäischen Verkehrslandschaft machte. Die jährliche Zahl der Jakobspilger ging in die Hunderttausende; zahlenmäßig stand Santiago in seiner Blütezeit Rom nicht nach.

Seit der Jahrtausendwende wurden die Pilgerfahrten zu einem Kennzeichen der gesteigerten Mobilität des Mittelalters. Unter dem kirchlichen Schutz des Gottesfriedens, der treuga Dei, erfreute sich der Pilger besonderer Privilegien. Als Pilger war ihm zumindest auf Zeit der Ausbruch aus den Schranken seiner Gesellschaft und seines Standes ermöglicht. Als Pilger konnte er ihm sonst unerreichbar bleibende ferne Länder und fremde Völker Europas zu Gesicht bekommen. Zugleich hoffte er auf den Nachlass seiner Sünden und, wie die zahllosen Mirakelgeschichten zeigen, in vielen Fällen auf die Erlösung aus Krankheit und Not.

Im 10. und 11. Jahrhundert erwähnen die Quellen fast ausnahmslos hochadlige Pilger, Bischöfe und Äbte. Im 12. und 13. Jahrhundert hingegen bilden die überwiegende Mehrheit die namenlosen Pilger aus allen Ständen der Christenheit. Es ist die Masse der bescheidenen Gläubigen, die oft in ganzen Pilgerzeugen, so 1203 aus dem Rheingau oder mit Pilgerschiffen von Hamburg aus, nach Santiago pilgern. Eine weit verästelte Organisation von Pilgerkapellen, Jakobusbruderschaften, Hospizen, Brücken- und Wegbauten ermöglicht es den Minderbemittelten, sich bis Galizien durchzuschlagen. Auf den Pilgerstrassen zogen nicht nur die Höhergestellten oder die berühmten Heiligen wie Franz von Assisi, Bernhard von Siena, Vincenz Ferrer, Birgitta von Schweden und Elisabeth von Portugal, sondern Hunderttausende aus dem einfachen Volk. Die Pilgerfahrt ist für diese Menschen, neben und in ihrer spirituellen Bedeutung, auch eine Art Ausbruch aus dem grauen und harten Alltag des mittelalterlichen Menschen.

Dieser Aspekt ist sehr treffend noch von Ferdinand Gregorovius beschrieben worden. Gregorovius hat mit der kritischen Nüchternheit des Historikers im Jahr 1856 die Wallfahrt zur Madonna von Genazzano in der Nähe von Rom beobachtet: 'Man denke ferner', schreibt er über die Pilger, 'dass dieses Volk in solcher Form des religiösen Lebens erzogen, nichts Höheres hat als eine Wallfahrt nach einem seiner Heiligtümer. Wenn es ein langes Jahr in Mühe geduldet, und alle solche Schicksale und Verschuldungen sich jahrdurch ihm aufgehäuft haben, welche seine moralische Welt verwirren und sein Gemüt belasten, dann greift es für ein paar Festtage zum Wanderstab. Von seiner harten Scholle in den Bergen sich lostrennend, von schwerer Arbeit ausruhend, bewegt es sich einmal wieder und fühlt sich frei in Gemeinschaft seiner Dorfund Stadtgenossen, mit denen es ein gleicher Zweck vereinigt.' Pilgerfahrt bedeutete in der Tat für viele mittelalterliche Menschen 'die konkrete Utopie vom gelingenden Leben' (Arno Borst).

Begab sich ein Pilger auf die gefahrvolle Reise, musste er zuerst seine persönlichen Angelegenheiten ordnen und Vorsorge für sein Seelenheil im Falle seines Todes treffen. Von seiner Frau und dem zuständigen Pfarrer war die Reiseerlaubnis einzuholen, eventuelle finanzielle Verpflichtungen mussten geregelt und das Testament gemacht werden. Für alle Fälle gab es auf dem Pilgerweg Einrichtungen, die darauf spezialisiert waren, nachträglich ein Testament auszufertigen. Grundbestand der Ausrüstung waren etwas Geld, der Pilgerstab und die Pilgertasche. Der gewöhnliche Jakobspilger trug zunächst keine kennzeichnende Kleidung. Wie jeder Reisende, zumindest wenn er zu Fuß ging, benötigte er festes und praktisches Schuhwerk; er brauchte außerdem Kleider, die ihn beim Gehen nicht behinderten. Oft war er mit einer lederverstärkten Pelerine und einem breitkrempigen, meist runden Filzhut bekleidet, was ihn vor Kälte und Regen schützte. Bald wurde diese Ausstattung zur festen Tracht, zum äußeren Zeichen des Jakobspilgers, sie diente ihm als Geleitbrief und gab ihm das Recht auf die Mildtätigkeit der Hospize. Man wird den Jakobspilger nun für Jahrhunderte an seiner Kleidung erkennen.

Zur Ausstattung gehörten noch die Pilgerflasche und die schon erwähnten Pilgertasche und Wanderstab. Die Tasche war ein kleiner Sack aus Tierhaut, die mit einer Muschel geschmückt war. Der Stab war ursprünglich nichts anderes als ein Stock zum Schutz vor Hunden und Wölfen und zur Stütze auf bergigen Wegstrecken. Er war unterschiedlich lang, hatte am oberen Ende einen Knauf mit Haken, an dem der Quersack hing, und am unteren Ende eine Eisenspitze. Die Pilgerflasche, in der die Pilger den Wein aufbewahrten, den manche Hospitäler ihnen auf den Weg mitgaben, konnte entweder an den Gürtel oder an den Wanderstab gehängt werden.

Zum Aufbruch hatte die Kirche ein eigenes Ritual entwickelt. Der Pilger legte die Beichte ab und kniete vor dem Altar nieder; dann wurden über ihm die sieben Bußpsalmen gesungen, dazu noch Litaneien und Gebete. Pilgerstab und -tasche wurden ihm mit einem eigenen Segensritus überreicht:

'Im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Nimm diese Tasche als Zeichen deiner Pilgerschaft, damit du geläutert und befreit zum Grab des hl.Jakobus gelangen mögest, zu dem du aufbrechen willst, und kehre nach Vollendung deines Weges unversehrt mit Freude zu uns durch die Hilfe Gottes zurück, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.'

'Nimm diesen Stab zur Unterstützung deiner Reise und deiner Mühe für deinen Pilgerweg, damit du alle Feindesscharen besiegen kannst, sicher zum Grab des hl.Jakobus gelangest und nach Vollendung deiner Fahrt zu uns mit Freu de zurückkehrest. Dies gewähre Gott selbst, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.'

Zu Ausweis und Schutz auf dem Weg konnte man sich einen Geleitbrief ausstellen lassen. Der Pilger zog auf einem der vier Hauptwege durch Frankreich und ab Puente la Reina jenseits der Pyrenaeen den 600km langen Camino Frances. Der Weg führte ihn entlang von Heiligtümern, eine spirituelle Reise von Gnadenort zu Gnadenort. Unterkunft fand er in Hospizen und Hospitälern, ab dem 11./12. Jahrhundert konnte er auch in gewerbsmässigen Herbergen absteigen. In Roncesvalles, auf dem Pyrenaeenpass, verrichtete er mit Blick nach Santiago de Compostela ein Gebet und stellt ein kleines Kreuz auf. An der Grenze Galiziens, in Triacastela, bekam er einen Stein, den er zur Kalkgewinnung nach Santiago mitnehmen musste. Kurz vor dem Ziel stand ein kultisches Bad auf dem Programm das wohl auch aus hygienischen Gründen angesagt war. Vom Monte del Gozo ('Berg der Freude') erblickte der Pilger erstmals das ersehnte Ziel. Angelangt in der Stadt, galt der erste Besuch der Kathedrale. Der Eindruck, den sie im Pilger hinterließ, ist im 'Liber Sancti Jacobi' bzw. 'Codex Calixtinus' eindrucksvoll geschildert:

'Diese Kirche erstrahlt im Glanze der Wunder des hl. Jakobus. Und wirklich, die Gesundheit ist den Kranken wiedergegeben, der Blinde wurde sehend, die Zunge des Stummen löste sich, das Gehör wird dem Tauben zuteil, ein normaler Gang macht Hinkende sicher, Besessene wurden befreit, und was noch mehr ist die Gebete der Gläubigen wurden erhört, die Ketten des Sünders fielen ab, der Himmel öffnete sich denen, die anklopfen, getröstet sind die Betrübten, und alle fremden Völker, gekommen aus allen Teilen der Welt, hier versammelt in großer Menge, bringen dem Herrn ihre Geschenke und Lob preisungen dar...Jener, der die Rampe durchschreitet und der in Trübsal heraufgestiegen ist, wird sich glücklich finden und voll der Freude, nachdem er sich versenkt hat in die vollendete Schönheit der Kirche.'

Die erste Nacht verbringt der Pilger wachend und betend in der Tag und Nacht geöffneten Kirche. Die physische Nähe zum Heiligtum war wichtig; beim Kampf um die besten Plätze kam es zu mitunter blutigen Raufereien. Am nächsten Tag durfte er seine Opfergabe darbringen. Nach dem Morgengeläut begab er sich zur 'arca de la obra', der 'Schatztruhe des Werkes', neben der ein Wächter mit einer Rute stand und dem Pilger auf die Schulter schlug. Auf der Truhe selbst stand ein mit einem Chorhemd bekleideter Kleriker, eine weitere Person verlas die Ablässe. Danach forderte der Kleriker die Gläubigen mit je nach Nationalität unterschiedlichen Formeln auf, ihre Opfergaben niederzulegen: Geschenke, Wachsspenden und Geld. In der Kapelle der Könige von Frankreich beichteten und kommunizierten die Pilger. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert erhielten sie dann eine Bestätigung über die ordnungsgemäß durchgeführte Pilgerfahrt. Zum Abschluss begaben sie sich hinter die Apostelstatue am Jakobusaltar, um dem Heiligen ihre Verehrung zu bezeugen, mitunter durch einen Kuss des Standbildes.

Vor der Heimreise erhielt der Pilger als Abzeichen seiner erfolgten Pilgerfahrt die Jakobsmuschel, die er sich an Hut oder Mantel heftete. Die Muschel gewährte Schutz und Ansehen, nach manchen Mirakelberichten heilte ihre Berührung Krankheiten. Zur Jakobsmuschel als Pilgerabzeichen erzählt eine Legende von einem Reiter, der während seiner Pilgerfahrt vor Wegelagerern fliehen musste. Dabei überquerte er einen Meeresarm, aus dem er über und über mit Muscheln bedeckt wieder aufstieg.

 

Die Jakobmuschel

Pilgerabzeichen traten erst ab der 2.Hälfte des 12.Jh. und somit in der 1.Blütezeit der Jakobuswallfahrt auf. Bis zum 14.Jh. waren es plakettenartige Flachgüsse. Dann kamen jedoch oft farbig hinterlegte Gittergüsse auf, die auch meist durchbrochen waren. Sie bestanden meist aus leichtfließendem Metall, meist Legierungen aus Zinn und Blei.

Den Ursprung dieser Jakobsmuschel findet sich, wie so vieles im Zusammenhang des hl. Jakobus, in einer Legende. Ihr zufolge nach stand ein protugiesischer Ritter auf Pferd in der Nähe der von Padron, der Anlegestelle des Schiffes, das den hl. Jakobus nach Spanien brachte. Als das Pferd den wundersamen, hellen Schein sah, der von einem Stern herab auf den Apostel fiel, war es von dem Anblick so verstört, dass es in das Wasser sprang und den Ritter mit sich in die Tiefe riss. Die Jünger des hl. Jakobus retteten den Ritter. Als sie ihn an Bord zogen, sahen sie voller Staunen, dass sein Körper voll mit Jakobsmuscheln bedeckt war.

Die Jakobsmuschel wurde nicht bei Padron oder Finesterra aus dem Meer geholt. Sie wurden in Santiago bei eigenen Devotionalienhändlern gekauft. Sie bestand aus Gagat (Pechkohle) oder Metall. Anhand dieser Jakobusmuschel kann heute nachgewiesen werden, wie weit sich die Santiagowallfahrt in Europa verbreitet hat. So wurde sie auch in Schleswig uns Skandinavien gefunden.

Die Bedeutung der Muschel als Pilgerzeichen

Das Zeichen der Santiago-Pilger war die Jakobsmuschel. Sie war aber nicht nur allein Pilgerabzeichen. Sie allein hatte schon magische Wirkung. Es heilte Kranke und brachte all denen Glück, die eine "beglaubigte" Jakobusmuschel entweder in Santiago oder bei einem dem hl. Jakobus gewidmeten Heiligenstätten am Jakobsweg gekauft hatten. Dass solche Pilgerabzeichen auf die Umhänge, Hüte oder Geldkatzen genäht wurden, dies dürfte auf einen heidnischen Brauch der Antike zurückgehen.

Die Jakobusmuscheln haben für den Santiago-Pilger zahlreiche und auch große Bedeutungen. Neben den vielen zählt Hansjörg Sing einige auf:

- Erinnerung an diese Wallfahrt (oder Reise)
- Der nach Hause mitgebrachte Gegenstand dient der Verehrung
- Für einige Pilger ist es wohl auch der greifbare, körperliche Kontakt mit dem Heiligtum. Alte Legenden erzählen wohl auch daher von unglaublichen Wundern und Heilungen durch solche Pilgerzeichen.

Das die Jakobspilger eine Muschel als natürliches Schöpf- und Trinkgefäß mit sich führten, wurde es rasch deren Attribut. Sie steht für die Armut der Pilger und deren Absage an die Dinge dieser Welt. Auch wurde die Muschel als Schale zum Essen benutzt. Da die Muschelschalen sehr hart wie auch beständig sind, wurde mit ihren scharfen Kanten auch geschnitten. Somit war die Kammmuschel das "Schweizermesser" der Jakobspilger.

Die Muschel gewann ab dem ausgehenden Mittelalter als Pilgerzeichen eine so große Bedeutung, dass viele Menschen, die eine große Wallfahrt unternommen hatten, die Muschel als Attribut dafür erhielten, auch wenn sie nie nach Santiago gepilgert waren, sondern nach Rom oder in das Heilige Land. So zeigen sehr viele Darstellungen den hl. Rochus mit Pilgermuschel, obwohl er nie nach Santiago gepilgert war. Er pilgerte nach Rom. Es war aber die Muschel so sehr zum Inbegriff der Wallfahrt geworden - und ist es heute noch zum Teil -, dass er die Muschel als Zeichen seiner Romwallfahrt zugeteilt bekam. Richtigerweise hätten ihm dafür die gekreuzten Schlüssel Petri als Attribut zugewiesen werden müssen, aber die Modeerscheinung war einfach stärker.

Als Zeichen, dass der Pilger auch tatsächlich in Santiago war, brachten die Jakobspilger die vor dem Nordportal der Kirche erworbenen Jakobsmuschel mit. Sie wurde am Hut oder Brotbeutel befestigt. Sie gab ihnen Schutz, da es als Todsünde galt, einen Pilger mit Muschel zu erschlagen.

Santiago lebte schon seit dem Mittelalter ganz auf die Wallfahrt ausgerichtet. Der Verkauf von Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenständen, der Handel mit Devotionalien wie der Pilgermuschel bescherte der Stadt Santiago seit dem 12.Jh. beträchtliche Einnahmen. Dies hielt während ihres ganzen Höhepunktes vom 12. bis zum 14.Jh. an.

Die Muschel, das Abzeichen eines Santiago-Pilgers, verlor nicht nur an Wert und Ansehen. Die Gesetzesbrecher wurden in Frankreich "coqiullard", coquille bedeutet Muschel, genannt.

Wie sehr Muscheln an der Kleidung noch bis in das 20.Jh. hinein als Pilgerzeichen angesehen wurde, das zeigt das Zitat aus "Meyers großes Konversationslexikon". Dort heißt es, "der Pilgerhut hatte einen sehr breiten Rand und war gewöhnlich mit Muscheln geziert."

Funde der Jakobusmuschel

Anhand der Funde dieser Jakobusmuschel kann heute die Bedeutung und die Verbreitung dieser Santiagowallfahrt rekonstruiert werden. Besonders für den skandinavischen Raum brachte sie unerwartetes zu tage. "Die Muscheln aus Santiago de Compostela bilden im skandinavischen Pilgerzeichenmaterial die größte Gruppe und belegen so die Bedeutung der Jakobspilgerfahrt im Rahmen der skandinavischen Auslandspilgerfahrten. Als erstaunlich kann dann jedoch der Umstand bezeichnet werden, daß die skandinavischen Funde von mittelalterlichen Pilgermuscheln auch im gesamteuropäischen Vergleich die größte bisher bekannte Gruppe bilden. ... Zu den Bodenfunden von Santiagomuscheln sind noch die Abdrücke auf skandinavischen Kirchenglocken hinzuzurechnen; unter den Abdrücken nicht-skandinavischer Pilgerzeichen bilden die Santiagomuschel die größte Gruppe."

In einer Arbeit stellte K. Köster die Funde archäologischer Funde von über 180 Jakobsmuscheln zusammen, die den verstorbenen Santiagopilgern mit in das Grab gelegt worden sind. Etwa ein Viertel davon entfallen alleine auf Deutschland.

 

Die "Wallfahrt"

Die "Wallfahrt" lässt sich vom mittelhochdeutschen "wallen", dem althochdeutschen "wallon", dem mittelniederdeutschen "wallen" und dem altenglischen "weallian" für wandern, umherschweifen und reisen ableiten. Eine ältere Herkunft ist unbekannt.

Als "Waller" wurde im mittelhochdeutschen, vom "walaere" kommend, der Pilger bezeichnet. Hieraus bildete sich das mittelhochdeutsche "wallevart", das sich auch auf den Lebensweg bezogen scheint ("... die Zeit meiner Wallfahrt ist hundertdreisßig Jahre, wenig und böse ist die Zeit meiner Väter in ihrer Wallfahrt ..."). Im 16.Jh. bildete sich "wallfahrten" und "Wallfahrter" heraus.

Als "wallen" wurde ein "von Ort zu Ort ziehen" bezeichnet. Sprachlich war es auf den westgermanischen Sprachraum begrenzt. Es stammt von dem althochdeutschen "wallon" ab, das seinerseits aus dem indogermanischen Sprachraum zu kommen scheint. Es ging später in das mittelhochdeutsche "wallen" über. Ursprünglich bezeichnete es allgemein gehen, wandern, und umherziehen, aber auch schon auf Wallfahrt gehen. Es bezog sich aber schon ursprünglich nicht nur allein auf das Gehen mit den Füßen, sondern allgemein das Umherziehen, einschließlich dem auf dem Wasser, dem Meer.

Schon vor dem 16.Jh. versuchte sich "wallen" und "Wallfahrt" für den Begriff von "pilgern" und einer "Pilgerfahrt" durchzusetzen, konnte es aber nicht gegen das aus dem lateinischen ableitende pilgern. M. Luther scheint durch seine Bibelsprache "Wallfahrt" und "wallfahren" zur sprachlichen Durchbruch gebracht zu haben. Die Bedeutungs­eingrenzung zum alleinigen Verständnis für die Wallfahrt, d.h. einer Pilgerfahrt, kam erst im 18.Jh. auf.

"Wallfahrt" trat um 1300 als "vallevart" erstmals auf, stand aber noch gegenüber dem "betevart" zurück. Es scheint schon immer als Bezeichnung einer religiösen Pilgerfahrt benutzt worden zu sein.

"Wallfahrten" und damit verbunden auf die "Wallfahrt" gehen, tat erstmals bei M. Luther auf, dürfte aber schon etwas früher in Verbindung mit "wallen" in Gebrauch gewesen sein.

Als "Waller" wurde ein Pilger und eine "Wallerin" eine Pilgerin bezeichnet.
Als "Wallerei" wurde die Pilgerfahrt bezeichnet.
Als "Wallerkleid" wurde das Pilgerkleid bezeichnet.
Als "Wallermesse" wurde eine Frühmesse bezeichnet. Dies leitete sich vom frühen Aufbruch der Pilger ab.

Der "Wallfahrer" trat an die Stelle des älteren Wortes "Wallbruder". Damit wurde jemand bezeichnet, der mit einem zusammen die Wallfahrt unternahm. Somit ist der Sprecher immer mit in die Wallfahrt einbezogen. Nie konnte ein Nicht-Pilger von einem "Wallfahrer" sprechen.

Das "Wallfahrten" ist erst seit dem 16.Jh. nachweislich in Gebrauch. Als Verb bezeichnet es das Pilgern.
Ein "Wallfahrter" war ein Pilger. Dies konnte, im Gegensatz zum "Wallfahrer", auch vom "neutralen Boden" aus gesagt werden.
Ein "Wallfahrtholz" dürfte wohl ein Wäldchen gewesen sein, das eine Wallfahrtskapelle umgab.
Ein "Wallfahrtsberg" hatte oben auf eine Wallfahrtskapelle.

Ein "Wallfahrtsbrief" wurde zunächst von Bischöfen und Priestern, später von weltlichen Stellen ausgestellt. Der Hintergrund war vielfältig. Es wurde damit nicht nur der Ablass geregelt, sondern auch die Größe der Wallfahrt (dass nicht zu viele Menschen auf einmal auf die Wallfahrt gingen) oder auch aus gesundheitspolitischen Gründen (wie z.B. zu Zeiten großen Seuchen wie Pest und Cholera).

Die "Wallfahrtskirche" oder "Wallfahrtskapelle" steht am "Wallfahrtsort", auf die hin sich die "Wallfahrtsreise" richtet.
Als "Wallgang" oder "Wallgangsschott" wurde die Wallfahrt bezeichnet.
Das "Wallgehen" bedeute auf eine Wallfahrt gehen.
Der "Wallmantel", der Pilgermantel, wurde dem Pilger in einer kirchlichen Zeremonie feierlich überreicht, wenn er die Wallfahrt antrat.
Der "Wallsack" war die Pilgertasche.
Als "Wallstab" war der Pilgerstab bis ins 16.Jh. gebräuchlich.
Der "Walltag" war ein Tag, an dem man sich auf Pilgerreise befand.
Als "Wallung" wurde auch das Unterwegssein auf einer Pilgerreise bezeichnet, hatte aber auch andere Bedeutungen.
Als "Wallweg" wurde auch der Pilgerweg bezeichnet.
Nach Küpper wird seit 1920 der Antritt einer Strafe als "wallfahren gehen" beschönigt.
Nach Küpper bedeutet seit 1920 in der deutschen Umgangssprache "zu jemanden wallfahrten", jemanden aufzusuchen, um ihm ein Anliegen, eine Bitte vorzutragen.

Die Wallfahrt in der Sprache

Die Wallfahrt nach Santiago in Sprichwörtern & Literatur

Die Wallfahrt nach Santiago de Compostela ist nicht nur mühselig, sondern auch lang. Dies ist auch mit eine Ursache dafür, dass sie geradezu sprichwörtlich wurde: "etlich fliehen zu hitzig, weit für ir hittlin hinausz ... als so eim ein hausz brenne und der darausz flöhe bisz zu s. Jacob, dieweil im das hausz verbrenn, er sol herausz laufen blosz dafür, und löschen, nit darvon in ferrre land."

Ein anderer Spruch ist: "... mit körb ein esel dut bewaren, als wolt er zu sanct Jacob faren."

"unt vrâgte dâ der maere, ...
wie dicke er (der hausherr) hin zu Rôme quam,
sante Pêter ze lobe,
und ze sancte Jàcobe."

"hernach folget nun sant Jacob
genannt zum Compostel,
da laufen die narren mit haufen auf ..
der narren der sind viel."

"zum andren hab ich globet mer
mich zum helgen sant Jacob fer (fern)
dort in Spanien gon Compastell."
"der zehend (pilger führt) kelch und jakobsstab,
und muscheln von sanct Jacobs grab."

 

Definitionen von Wallfahrten

Das "Meyers großes Konversationslexikon" beschreibt Wallfahrten, auch Betfahrten genannt als "in der katholischen Kirche Wanderungen oder Reisen, teilweise unter Gebet und Gesang, zu entfernte heilige Orte (Gnadenorte), Reliquien oder wundertätige Heiligenbilder (Gnadenbilder) und Quellen, an die sich besondere Erinnerungen und Wunderereignisse knüpfen, zwecks Hilfe in geistiger und leiblicher Not oder aus bloßer Andacht und Buße ... Ihr Vorbild haben die W.(allfahrten) in den Festreisen der Juden nach Bethel, zur Bundeslade und zum Tempel. Auch Griechen und Römer unternahmen Reisen nach fernen Tempeln, und die Germanen veranstalteten 'Waldfahrten' nach heiligen Hainen. Schon früh wurden auch im Christentum die heiligen Stätten in Jerusalem aufgesucht, namentlich nach der Kreuzauffindung, und bereits zu Ende des 4.Jahrh. eiferten die Kirchenväter gegen die zutage tretende Missstände. Bald kam auch der Besuch der Gräber der Apostel und Märtyrer in Übung, bis endlich das Zeitalter der Kreuzzüge den Besuch des Heiligen Landes die höchste Sehnsucht jeden Christen wurde. Auch nach dem Verluste Palästinas blieb das Heilige Land Hauptziel der W., die neben der Wallfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten in Rom (limina apostolorum) und des heil. Jakobus in Santiago de Conpostela sowie zum heiligen Hause von Loreto als Ersatz für strenge Kichenbussen galten."

Vom "Pilger" zur "Jacke"

Das lateinische Verb "peregrinare", gleichbedeutend mit "durchwandern", hat das Sübstantiv "peregrinus", der Wanderer. Durch Lautumstellung entstand daraus das vulgärlateinische "pelegrinus", das französische "pélerin", der Wanderer, wie aber auch der Pilger. Aus der "pélerine", dem Pilgergewand, leitet sich das deutsche "Pelerine" ab, ein Umhang ohne Ärmel. Dem Pilgergewand der Jakobuspilger gaben die Franzosen einen eigenen Namen. Sie sprachen dabei nicht von "pélerin", sondern von "jacquette". Deutlich ist hierbei das Wort "Jacques", der "Jakobus" zu erkennen. Aus diesem "jacquette" wurde das deutsche "Jackett" und die "Jacke".

Die Jacke und die Wallfahrt

Jacob und Wilhelm Grimm geben in ihrem 1877 erschienen "Deutsches Wörterbuch" an, daß "Jacke" aus dem romanischen Sprachgebrauch stammt. Als "jaque" sei es als Waffenrock seit dem 14.Jh. bezeugt. Im Spanischen ist es als "jaco" im Gebrauch gewesen. Aus dem franz. Sprachgebrauch sei es dann in den deutschen übernommen worden.

Daneben ist Jacke auch eine Tracht der Bauern und geringer Leute, aber auch die weibliche und männliche Tracht anderer Stände. Auch war die Jacke ein Teil der Hauskleidung, wie es hierfür Belege aus dem 16.Jh. gibt. An der Jacke war der Stand und der Beruf abzulesen. Zum Teil ist dies heute noch erhalten geblieben, so bei verschiedenen Handwerksberufen wie z.B. bei den Zimmermännern.

Jacob und Wilhelm Grimm geben 1877 den Apostel Jakobus als den Heiligen an, "zu dessen grabe man auch aus deutschen landen häufig wallfahrtet"

Meyers Enzyklopädisches Lexikon gibt unter "Jacke" an, dass es aus dem Französischen stammt. Es sei seit dem 15.Jh. als Bezeichnung für Wams als auch für Schecke belegt. Die Bezeichnung bürgerte sich für ein rockartiges, vorn geknöpftes Gewand des Bürgers ein. In dem hüftlangen, langärmligen Teil der Oberbekleidung, meist zum Anzug gehörend, wird auch als "Jackett" oder "Sackko" bezeichnet.

Die Brockhaus Enzyklopädie gibt die sprachliche Herkunft der Jacke mit aus dem altfranzösischen "jacque" für den Waffenrock an. Bereits im 15.Jh. sei es als Bezeichnung für Wams und Schecke belegt. Mit der Zeit bürgerte es sich für ein rockartiges, vorn geknöpftes Gewand des Bürgers ein.

Das "Etymologische Wörterbuch des Deutschen" gibt für Jacke an, dass es sich dabei um ein "hüftlanges geknöpftes Oberkleid" handelt. "Jacke" sei eine Entlehnung vom mittelfranzösischen "jaque" aus dem 15.Jh. für einen eng anliegenden Männerrock. Es bezeichnete im 14.Jh. das bäuerliche Kleidungsstück, da "Jacques" ein unter ihnen weit verbreiteter Name war. Daher ist "Jacke" die deminutive Ableitung für "Jacke der Bauern". "Jacques" war aber auch gleichzeitig ihr Spitzname nach dem Bauernaufstand 1358 in Nordostfrankreich. 


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Updated: 21. Dezember 2022  -  9:15 Uhr

 

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